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AutorenbildSilke Frisch-Branderup

Morgengedanken aus dem Pferdestall 4/7

Heute also Teil 2 der Gedanken aus unserem Hufschmied-Termin Meine Drifa und mein aktueller Schmied haben nämlich auch ihre spezielle Geschichte, die mich bei den letzten Terminen immer wieder sehr berührt hat. Lange Zeit war Drifa bei der Hufbearbeitung das Pferd, das am anstrengendsten war. Die Hufe zu geben war grundsätzlich nicht das Problem. Aber sie zog dann schnell weg, fing an herumzuzappeln, sich auf den Schmied abzustützen, nach vorne wegzudrängen usw. Ich gebe zu, ich bin lange Zeit da auch immer wieder auf die Idee hereingefallen, wir könnten Drifa irgendwie festzuhalten, so dass sie nicht wegzieht. Der Schmied und ich, wir beide gaben alles, um Drifa zum stillhalten zu bewegen. Letztendlich hatten wir aber auch zu zweit keine Chance gegen dieses starke Pferd, so dass ich immer heilfroh war, wenn die vier Füße fertig waren und wir erstmal für ein paar Wochen Ruhe hatten. Wo die Ursache von Drifas Gezappel lag, wurde mir dann erst nach und nach klar. Vor 14 Jahren hatte Drifa einen schweren Unfall, bei dem sie sich eine Fraktur mit Knochenabsplitterung im linken Sprunggelenk zuzog. Eigentlich ein Todesurteil. Wie soll in einem Gelenk, das nicht ruhiggestellt werden kann, ein Knochen wieder anwachsen? Wie Drifa es geschafft hat, diesen Unfall doch zu überleben, ist eine längere Geschichte, die ich an anderer Stelle gerne mal im Detail erzähle. Gottseidank hat sie es hinbekommen. Anfang lahmte sie noch gelegentlich, vor allem bei Wetterumschwüngen, doch das passiert schon seit Jahren nicht mehr. Trotzdem hat der Unfall seine Spuren an den Gelenken hinterlassen, am unverletzten Bein sogar noch stärker, weil es durch das Schonen des linken Hinterbeins häufig zu stark belastet wurde. Es dauerte lange bis mir bewusst wurde, dass Drifa durch ihr Gezappel beim Schmied eigentlich nur kommunizierte, dass sie das Gewicht auf dem jeweils anderen Hinterbein nicht so lange halten konnte. Der Schmied liess sich zunächst eher skeptisch darauf ein, dass Drifa immer wieder für einen Moment den Huf absetzen und damit das andere Bein kurz entlasten durfte. Im Allgemein denkt man ja, dass man mit so etwas das Pferd verwöhnt und es anschließend noch weniger mitmacht. Es zeigte sich jedoch, dass Drifa das Entgegenkommen mehr als dankbar annahm. Sie entlastete das andere Bein für einen kurzen Moment, um dann VON SICH AUS nach wenigen Sekunden den zu bearbeitenden Huf wieder zu heben und dem Schmied anzubieten. Seitdem hat sich eine rührende Kommunikation zwischen den beiden entwickelt. Ein echter Dialog von „Komm, gib mal her“ - „Ich brauche eine Pause.“ – „Na klar, kein Problem.“ Und „Bitte, jetzt kann ich wieder.“ Absolut entzückend! Das ging jetzt schon seit vielen Monaten so. Unser letzter Schmied-Termin war dann ein Highlight. Drifa konnte durchgehend gut stehen, ohne Zappel, ohne Wegziehen und ohne die Notwendigkeit, sich zwischendurch auszuruhen. Es geht also im Alter nicht nur abwärts, sondern die Pferde können durchaus nochmal mehr Kraft schöpfen. (Was ich noch dazu beigetragen habe, dass Drifa mehr Kraft hat, auch das an anderer Stelle.) Was kann ich dir nun aus diesem Morgen als Inspiration mitgeben? Dass es klüger ist, mit dem Pferd zusammen zu arbeiten statt dagegen, weißt du schon aus der letzten Geschichte. Eigentlich lustig, wie ich doch nochmal auf die Idee hereingefallen bin, wir können ein Pferd irgendwie festhalten, obwohl ich es nun wirklich hätte besser wissen können… So stark verbreitet ist diese konditionierte Einstellung, dass man ein Pferd gegen seinen Willen zu irgendetwas bewegen könnte... Solltest du auch einmal wieder auf alte konditionierte Verhaltensweisen hereinfallen, sei nachsichtig mit dir. Es ist ein langer Übungsprozess, da herauszuwachsen. Sei dankbar, wenn du ein Pferd wie Drifa hast, dass so klar und vehement Widerstand leistet. Im Gegensatz zu dem, was wir meistens glauben, steckt genau darin nämlich ein großes Geschenk!


Ich wäre nicht die, die ich heute bin, wenn meine Pferde nicht so streng mit mir ge-wesen wären und mich nicht immer wieder quasi dazu gezwungen hätten, alles auf den Prüfstand zu stellen, was in der Pferdewelt so im allgemeinen erzählt und gelehrt wird. So haben meine Pferde mich dazu gebracht, immer wieder meinen Horizont zu erweitern und neue Wege zu gehen. Es ist fasziierend, was ich dabei alles lernen durfte!

Foto: Drifa mit ihrer Busenfreundin Bibi beim Fellkraulen

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